Über die neue Reihe „Unzähmbar- Klassik und Lyrik für den Frieden“:
2022 lernte die künstlerische Leiterin des Theaterschiffes Martina König den gerade aus der Ukraine geflüchteten Künstler Borys Borysenko zufällig kennen. Sie beschlossen, ein Friedensprojekt mit internationalen KünstlerInnen auf dem Theaterschiff zu entwickeln. „Das Schiff, auf dem das Licht lebt - the Ship, where the Light lives.“ Die Strahlkraft dieses Abends war so groß und bedeutsam, dass die Friedensprojekte auf dem Theaterschiff immer weiter wachsen konnten.
Im September 2023 ist das Theaterschiff an Land gegangen und mit einer neuen Reihe in die Französische Kirche am Bassinplatz in Potsdam gezogen. Die Kirche steht für Weltoffenheit, Toleranz und Wertschätzung der Kunst. Das trifft sich gut.
Borys Borysenko sagte 2023 in einem Interview auf die Frage, was er sich als Regisseur seines Projektes „Sichtbare Gedanken“ wünscht: „ Alles Gute und Liebe für die ZuschauerInnen. Ich bin mir sicher, dass diese Gefühle der Menschheit Frieden bringen werden.“ Diesen Grundgedanken verfolgen wir mit unserem, dritten Friedensprojekt konsequent weiter, indem wir eine Begegnung von hochkarätiger klassischer Musik und Liebeslyrik herbeiführen. Borys Borysenko ist erkrankt und konnte sich an diesem, dem dritten Friedensprojekt nicht beteiligen.
Internationale MusikerInnen von Weltrang, PreisträgerInnen bedeutender Wettbewerbe präsentierten vier verschiedene erstklassige Konzerte und wurden von den Schauspielerinnen Larisa T. Papizh und Andrea Brose mit vier verschiedenen Lesungen von Liebeslyrik der Weltliteratur begleitet.
Das Publikum honorierte alle vier Konzerte mit stehenden Ovationen.
Wir wünschen uns Frieden für alle Menschen und machen auch 2024 mit unseren Konzerten weiter.
Auszüge aus Interviews mit Andrej Lakisov, Larisa T.-Papizh, Andrea Brose, geführt von Martina König am 03.06.2023
Aus dem Interview mit Andrej Lakisov, dem musikalischen Leiter von „Unzähmbar- Klassik und Lyrik für den Frieden“
M.König: Andrej, Du hast die „Ungezähmte Klassik“ vor sechs Jahren in Berlin ins Leben gerufen, was verbirgt sich hinter diesem Namen?
A.Lakisov: „Ungezähmt“, weil unter diese Überschrift jede Art von Musik passt, die hohe Qualität hat, aussagekräftig ist und die Leute in ihrem tiefsten Innersten bewegt. Als wir Absolventen der Hochschule waren, wollten wir unbedingt spielen, egal wo. Hauptsache spielen. Und so nahmen wir die Klassik mit dorthin, wo wir uns damals bewegten, auf kleinen Bühnen, in Kneipen und Bars. Es sind sehr viel sehr gute Konzerte entstanden, Künstler haben für wenig Geld sehr, sehr gute Konzerte gegeben. Wir schufen uns unsere eigene Szene. Und wir stellten unter Beweis, Klassik kann man überall spielen, weil sie immer die
Mitte der Menschen erreicht. Unsere Gäste verfolgen uns und verbinden damit Qualität.
M.König: Welchen Stellenwert hat für Dich Lyrik?
A.Lakisov: Lyrik war für mich immer, immer Sehnsucht und Sehnsucht. Ich konnte darin meine tiefsten Gefühle finden. Und dadurch, dass ich vor zwanzig Jahren aus Weißrussland gekommen bin, habe ich hier „Heimat“ gesucht. Ich habe sie in den Liedern gefunden. Ich habe erst in Deutschland angefangen, zu singen und mir nach dem Besuch mehrerer Liedermacherfestivals diese Gesangskultur angeeignet.
Daher kommt bei mir auch die Verbindung zur klassischen Musik. Ich spiele die klassische Musik mit diesem Gefühl, was ich aus der Gesangskultur, von den lyrischen Texten her kenne. Dieses Gefühl bringe ich in die Klassik. Dort sind andere Ausdrucksformen. Ich versuche die Kernpunkte von Lyrik und Klassik zu verbinden. Ich habe mir während meines Studiums sechs Urlaubssemester genommen und dann begann ich zu improvisieren, singen zu lernen, Gedichte zu vertonen. Danach kehrte ich zu der Klassik zurück und dann war die Klassik frei. Sie war plötzlich mit meiner Persönlichkeit verbunden. Das ist mein Motor. Text und Musik gehören bei mir zueinander.
M.König: Du arbeitest jetzt zum zweiten Mal an einem Friedensprojekt mit dem Theaterschiff zusammen.
Worin besteht für Dich der Unterschied, oder die Weiterentwicklung?
A.Lakisov: Mit dem Theaterschiff zu arbeiten und sogar weiter zu arbeiten, das ist so eine Freude, so eine Freude für mich. Und ich freue mich riesig, einfach spielen zu dürfen. Ich sehe das als Erweiterung der „Ungezähmten Klassik“, die „unzähmbar- Klassik“. In der Kirche können sich klangliche und akustische Möglichkeiten entwickeln. Unsere „Ungezähmte Klassik“ hat, wie ich schon erzählte, immer in sehr kleinen Spielstätten stattgefunden. Dort sind wir groß geworden. Die französische Kirche ist für mich ein Quantensprung. Ich freue mich darauf, mit den anderen, diesen phantastischen KünstlerInnen dem Potsdamer Publikum das Neue, das Lebende zu zeigen, das, was noch „ungezähmt“ ist, es wird auch „unzähmbar“ sein.
Aus dem Interview mit Larisa T. Papizh
M.König: Larissa, wie ist es für Dich, nun wieder als Schauspielerin zu agieren?
L.T.Papizh: Das ist wie plötzlich einen Rosenduft in der Nase zu spüren, wie mit nackten Füssen im Sommer über einen kalten Wasserbach zu laufen, wie eine Meeresbrise am Abend auf der Haut zu spüren.
M.König: Was bedeuten für Dich Gedichte?
L.T.Papizh: Lyrik ist für mich die Sprache der Harmonie. Das vervollständigt und balanciert mich, wenn mir der Boden unter den Füssen fehlt.
M.König: Was ist für Dich das Besondere an diesem Projekt?
L.T.Papizh: Da kommen verschiedene spannende Aspekte zusammen. Ich glaube, wir können einiges bewirken, indem wir voller Leidenschaft und Liebe unserer Gefühle mit dem Publikum teilen.
Das wird so, wie an einem runden Tisch mit Menschen aus verschiedenen Nationen und Traditionen zusammen sitzen und teilen. Wir übertragen einen Aufruf zum Frieden, auch wenn wir schweigend stehen. Wir haben selbst erfahren, wie sehr wir es brauchen, für- einander, für- sorglich, für- menschlichkeit, für- unsere Kinder, für- die Zukunft.
M.König: Du wirst in einem Konzert, dem dritten, auch mit Deinem Ehemann G.T. Papizh auftreten. Ist das Eure Premiere? Wie geht es Dir damit?
L.T.Papizh: Ich glaube, das wird sehr erweckend, für uns zusammen in der ovalen Kirche mit der Friedensmessage aufzutreten. Das ist wichtig für uns als Eltern, als Paar, als Friedensmenschen, die Liebe durch die Kunst zu verbreiten.
Aus dem Interview mit Andrea Brose
M.König: Welche Erfahrungen hast Du mit Lyrik?
A.Brose: Lyrik ist eine immer wiederkehrende Größe in meinem Leben. Sie erwischt mich in regelmäßigen Abständen. In meiner persönlichen Sturm und Drang - Phase, spielten Gedichte von Erich Fried, R.M.Rilke, B.Brecht oder Konstantin Wecker eine Rolle. Während des Schauspielstudium eröffneten mir Shakespeares Sonette eine ganz neue Welt. Als mir später ein kleines Buch mit Haikus von Basho und Issa in die Finger kam, entdeckte ich das klassische japanische Haiku. Das war eine Offenbarung: drei kleine Zeilen, die ganz konzentriert einen Moment, eine Erfahrung, ein Naturphänomen einfangen, oft mit so feinen Humor. Meine letzte Lyrikentdeckung ist ein paar Jahre her. Ich sah Jim Jarmuschs Film "Paterson", der von einem poesiebegabten Busfahrer aus der amerikanischen Provinz erzählt, der wundervolle ,einfühlsame Gedichte in sein Notizbuch schreibt. Die Gedichte stamme von Ron Padgett. Sie haben mir so gut gefallen, dass ich mir am nächsten Tag das Buch gekauft habe.
M.König: Du hast auf dem Theaterschiff alle Friedensprojekte begleitet und bist jetzt als Schauspielerin viermal aktiv dabei.
A.Brose: Zum ersten Mal stehe ich mit internationalen, virtuosen Künstlern von Weltniveau auf der Bühne. Das ist eine große Ehre für mich. " Das Schiff auf dem das Licht lebt-The Ship where the Light lives" und "Sichtbare Gedanken" waren künstlerisch und inhaltlich auf allerhöchstem Niveau. Ich bin voller Vorfreude auf etwas sehr Schönes und Großes, von dem ich noch nicht weiß, wie genau es aussehen wird.
Ich freue mich darauf einzutauchen, in diesen kreativen Raum. Zu lesen, zu suchen, zu finden. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit meiner Kollegin Larisa T. Papizh. Wir stehen zum ersten Mal gemeinsam auf der Bühne.
Sa 30.09.2023 um 19:30 Uhr in der Französischen Kirche Potsdam
Trio Laccasax
Konzert & Lyrik (Teil 1)
Fr 20.10.2023 um 19:30 Uhr in der Französischen Kirche Potsdam
Soloklavierkonzert
Konzert & Lyrik (Teil 2)
Sa 11.11.2023 um 19:30 Uhr in der Französischen Kirche Potsdam
Klassik-Klangperformance
Konzert & Lyrik (Teil 3)
Fr 08.12.2023 um 19:30 Uhr in der Französischen Kirche Potsdam
Kollektiv „Unzähmbar“ & Freunde
Konzert & Lyrik (Teil 4)
Fotos: © Adam Eye; © Julius Ruge
Kritiken
"In seiner neuen vierteiligen Reihe „Unzähmbar“ präsentiert das Theaterschiff Weltmusik und Lyrik. Den Auftakt machte das Trio Laccasax."
Astrid Priebs-Tröger, Tagesspiegel Kritik vom 01.10.2023